Bravouröses Klavierkonzert bei Sauna-Temperatur
Freitag, 23. Juli 2010 04:00
Reinbek (gb). Auf eine harte Probe stellte die
Wetterlage den Pianisten Paul Kaspar, der am Mittwochabend im 
Reinbeker Schloss das erste Konzert im Rahmen des 25. Schleswig-Holstein
Musik Festivals (SHMF) eröffnete.
Im ausverkauften Saal, den auch nicht der Hauch 
eines Lüftchens durchzog, wedelten rund 200 Zuhörer ununterbrochen mit 
den Programmheften, um nicht in Ohnmacht zu fallen. In dieser 
"Sauna"-Stimmung erlebten sie dennoch einen fantastischen Klavierabend.
Im zunehmend verschwitzten Hemd heizte Paul 
Kaspar bereits mit der "Waldstein"-Sonate Op. 53 von Beethoven ein und 
kündigte von den ersten Takten an einen genussvollen Konzertabend an. 
Kaspar ist ein hervorragender Pianist, der die Spieltechnik und einen 
recht harten Anschlag exakt einzusetzen versteht. In Verbindung mit 
feinem Gespür für große Formen vermittelte der Pianist streckenweise den
Eindruck, dass Beethoven persönlich im Reinbeker Schloss saß und 
musizierte.
In den Mittelpunkt stellte der sympathische 
Tscheche - ganz im Sinne des SHMF-Länderschwerpunkts Polen - 
Klavierwerke von Frederic Chopin und Ignacy Jan Paderewski. Von höchster
Spielkultur die Nocturnes F-Dur und c-Moll, voller Brillanz und 
Transparenz die Chopin-Etüden C-Dur, Op. 10 (Nr. 1 und 7). Zu einer 
Mischung aus Melancholie, Anmut, immer wieder brillanten Passagen, 
höchster Musikalität und nicht zuletzt Kondition des Interpreten wurde 
die Kaspar-Interpretation der Chopin-Ballade g-Moll, Op. 23.
Wie leichte Salonmusik ertönte dazwischen das 
Menuett G-Dur von Ignacy Jan Paderewski. Der 1941 im Alter von 80 Jahren
verstorbene Pianist und Komponist war 1919 Ministerpräsident und 
Außenminister Polens. Das Menuett, als eine Mozart-Persiflage 
komponiert, ist das bekannteste Stück des polnischen Konzertpianisten 
und Politikers. Mit Witz und Gespür für den "slawischen Geist" gab 
Kaspar das Menuett in Reinbek wieder.
Das imposante Programm schloss er mit der Suite 
"Film en miniature", die sein Landsmann Bohuslav Martinů (1880-1959) als
musikalische Karikatur der "modernen Zeit" 1925 komponierte. Ob Tango, 
Scherzo oder das Allegro "Carillon" - Kaspars Hände tanzten virtuos über
der Steinway-Klaviatur, den Raum füllte ein Zyklus von sechs witzig und
ideenreich konzipierten Klangszenen. "Eine völlig andere Welt", meinte 
ein Zuhörer und fügte hinzu: "Noch mehr als die Musik hat mich die 
Kondition des Mannes fasziniert. Unter diesen tropischen Bedingungen zu 
spielen, ist schon eine herausragende Leistung."
Das nächste SHMF-Konzert im Schloss folgt am Freitag, 6. August.
Zu hören sind die Teilnehmer des SHMF-Meisterkurses von Prof. Andrzej 
Jasinski (Klavier) und David Geringas (Violoncello). Das Programm wird 
kurzfristig zusammengestellt. Nähere Informationen über das gesamte 
SHMF-Programm sind in den überall in Schleswig-Holstein ausgelegten 
Programmheften und im Internet unter
www.shmf.de
zu finden. Karten gibt es unter Telefon 
(04 31) 57 04 70